Ich habe – mit Hilfe meiner geschätzten Kollegin ChatGPT – kontroverse Thesen rund um UX Design aufgestellt. Diese habe ich an die Pforten des UX Camps Bremen 2024 genagelt und mit den Teilnehmenden meiner Session „Kontroverse Thesen-Poker“ bewertet und diskutiert.
Jede Person konnte mit bis zu 10 Poker-Chips ihren Einsatz für jede These setzen. 1 Chip bedeutete „Ich stimme gar nicht zu“ und 10 Chips stand für „Ich stimme voll und ganz zu“. Ich kann direkt sagen: Wir waren uns nicht immer einig! Daraus entstanden angeregte Diskussionen, deren Kern ich für euch in diesem Blog-Beitrag zusammenfasse.
1. UX Designer:innen sind wie moderne Schamanen, die versuchen, die Nutzer:innen mit komplizierten Ritualen zu beeindrucken, ohne dabei tatsächlich deren Bedürfnisse zu verstehen.
Ja, es stimmt, wir UX-Designer:innen lieben unsere Warm-Up-Spiele, Post-It-Sessions und Kreativtechniken. Gepflegte Rituale gehören zu unserem Job. Und das mag für Außenstehende dann auch mal wie moderner Schamanentum wirken. Aber die Wahrheit ist: All diese Methoden führen uns näher zu unseren Nutzer:innen und zu einem tiefen Verständnis von deren Bedürfnissen. Und seien wir ehrlich: Ein bisschen gefällt uns unser mysteriöser Ruf doch auch… 🧚♀️
2. UX Designer:innen können die PO-Aufgaben gleich mitmachen, deshalb braucht es keine:n PO im Projekt.
Aus der Diskussion rund um diese These sprach die große Wertschätzung die wir UX-Designer:innen für unsere Product Owner:innen in Projekten empfinden. Die POs haben die Produkt-Vision fest im Blick. Und wir UXler:innen die Nutzer:innenbedürfnisse. Beides geht Hand in Hand und aus der Symbiose der beiden entstehen wirklich wertvolle Produkte. Und ja, wir springen gerne ein, wenn der:die PO mal im Urlaub ist. Aber wir wollen sie auf keinen Fall missen! 🫶
3. Viele Unternehmen sehen UX Design als Luxus, der nur bei ausreichend Zeit und Budget berücksichtigt wird.
Wir sind uns einig: Die Zeiten, in denen man bei jedem Projekt die Daseinsberechtigung und den Wert von UX Design neu verargumentieren musste, sind zum Glück vorbei. Nicht jedes Unternehmen hat dasselbe Level an UX Reife – aber mit unserem UX Methodenkoffer können wir die Stakeholder:innen da abholen, wo sie mit ihrem UX-Mindset stehen. Unsere Tipps: Nehmt sie zum Beobachten mit in eure Nutzer:innentests. Sprecht die Sprache der Person, die ihr mitnehmen wollt – sei es Marketing, Technik oder Management.
4. UX Designer:innen werden als Künstler:innen des digitalen Zeitalters gefeiert, tatsächlich kämpfen sie nur gegen enge Zeitpläne, begrenzte Ressourcen und unkooperative Stakeholder:innen.
Sad but true! Straffe Timings sind oft an der Tagesordnung, mehr Ressourcen wären immer besser und am Ende sind die Stakeholder:innen schuld, wenn irgendwas nicht klappt. Darüber kann man nun jammern, oder aber man lernt, mit den Bedingungen umzugehen. Mein geschätzter Kollege Thomas würde sagen: Unter Druck entstehen Diamanten! 💎 Und wenn wir es schaffen, in knapper Zeit eine Bomben-UX zu entwickeln, die sogar die kritischsten Stakeholder:innen von den Socken haut, dann zeigt sich doch unser wahres Können.
5. UX Designer:innen sind wie Missionar:innen in einem heidnischen Land – sie predigen die Prinzipien der Benutzerzentrierung, werden aber von den Göttern des Unternehmensgewinns niedergeschlagen.
Es ist die alte Leier: Die altruistischen UX Designer:innen vs. die profitgetriebenen Produktverantwortlichen. Wir waren uns einig, dass diese Sichtweise absolut überspitzt ist. Aber ein Fünkchen Wahrheit steckt vielleicht doch dahinter. Vielleicht sollten sich beide Lager jeweils ein Scheibchen voneinander abschneiden. Mehr Gewinnorientierung bei den UX Designer:innen, mehr Menschzentrierung bei den Göttern des Unternehmensgewinns. 💸 Der Perspektivwechsel hilft, die andere Seite und deren Ziele und Handlungen besser zu verstehen und in den Gesamtkontext einzubeziehen.
Was sagt ihr zu diesen steilen Thesen und unseren Erkenntnissen? Würdet ihr da mitgehen oder seht ihr manche Aspekte ganz anders? Ich empfehle euch, eine solche Poker-Session mal bei euch im Team zu spielen. Die Methode hat uns geholfen, schnell sehr tief in die Diskussion einzusteigen, konträre Meinungen auf den Tisch zu bringen, aber trotzdem in einem wertschätzenden Dialog zu bleiben.
Clara Gies
UX Designerin bei neusta experience